Beschluss des BGH vom 6. Juli 2016 zu den inhaltlichen Voraussetzungen an Patientenverfügungen
Mit Beschluss vom 6. Juli 2016 hat der Bundesgerichtshof (BGH) u.a. Stellung zu der Frage genommen, welche inhaltlichen Voraussetzungen an eine Patientenverfügung zu stellen sind (XII ZB 61/16). In dem Beschluss führt der BGH aus, dass eine Patientenverfügung im Sinne des § 1901a Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nur dann unmittelbare Bindungswirkung entfaltet, wenn ihr konkrete Entscheidungen des Betroffenen über die Einwilligung oder Nichteinwilligung in bestimmte, noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen entnommen werden können. Unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Betreuungsrechts (BT-Drucks. 16/8442, S. 15), mit welchem das Rechtsinstitut der Patientenverfügung im Betreuungsrecht verankert wurde, macht der BGH deutlich, dass die Äußerung "keine lebenserhaltenden Maßnahmen" zu wünschen, jedenfalls für sich genommen nicht die für eine wirksame Patientenverfügung erforderliche hinreichend konkrete Behandlungsentscheidung darstellt. Die insoweit erforderliche Konkretisierung kann aber gegebenenfalls durch die Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen oder die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen erfolgen. Dieser Beschluss setzt die bisherige Rechtsprechung des BGH fort und konkretisiert sie.
BVerfG: Zurechnung fiktiver Einkünfte bei der Bemessung des Kindesunterhalts
In drei Verfahren geht es um die Voraussetzungen, die an die Feststellung der Erwerbsfähigkeit und Erwerbsmöglichkeiten eines Unterhaltspflichtigen zu stellen sind. Reicht das Einkommen eines
Unterhaltspflichtigen unter Wahrung seines Selbstbehalts nicht aus, um seine Unterhaltspflicht gegenüber einem minderjährigen Kind in vollem Umfang zu erfüllen, können ihm grundsätzlich fiktiv
die Einkünfte zugerechnet werden, die er erzielen könnte, wenn er eine ihm mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit ausüben würde. Eltern haben gegenüber ihren minderjährigen Kindern eine
gesteigerte Erwerbsobliegenheit. Es ist daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass nicht nur die tatsächlichen, sondern auch fiktiv erzielbare Einkünfte berücksichtigt werden, wenn der
Unterhaltsverpflichtete eine ihm mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit unterlässt, obwohl er diese „bei gutem Willen" ausüben könnte. Grundvoraussetzung eines jeden Unterhaltsanspruchs bleibt
jedoch die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten. Auch im Rahmen der gegenüber minderjährigen Kindern gesteigerten Erwerbsobliegenheit haben die Gerichte dem
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung zu tragen und im Einzelfall zu prüfen, ob der Unterhaltspflichtige in der Lage ist, den beanspruchten Unterhalt zu zahlen. Wird die Grenze des Zumutbaren
eines Unterhaltsanspruchs überschritten, ist die Beschränkung der finanziellen Dispositionsfreiheit des Verpflichteten als Folge der Unterhaltsansprüche des Bedürftigen nicht mehr Bestandteil der
verfassungsmäßigen Ordnung und kann vor dem Grundrecht der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG nicht bestehen.
Az 1 BvR 774/10, Az 1 BvR 1530/11, Az 1 BvR 2867/11, alle drei Beschlüsse vom 18.6.2012, BVerfG-Pressemitteilung
Quelle:http://familienanwaelte-dav.de/newsletter.html
BGH: Versorgungsausgleich bei privaten Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht
Private Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht unterfallen nach Ausübung des Kapitalwahlrechts nicht mehr dem Versorgungsausgleich, selbst wenn das Kapitalwahlrecht nach Ende der Ehezeit und vor der letzten tatrichterlichen Entscheidung ausgeübt wurde. Ein Ausgleich kommt nur über das Güterrecht in Betracht.
Az XII ZB 325/11, Beschluss vom 18.4.2012
Quelle: http://familienanwaelte-dav.de/tl_files/newsletter/newsletter-2012-07.pdf
BGH: Wiederaufnahme des Versorgungsausgleichs in Übergangsfällen
Mit Beschluss vom 16.02.2011 hat der BGH entschieden, dass die Fälle, in denen der Versorgungsausgleich nach altem Recht ausgesetzt wurde und nunmehr wieder aufgenommen wird, neue Verfahren sind, in denen auch erneut Verfahrenskostenhilfe beantragt werden muss.
Der Leitsatz der Entscheidung lautet:
Ein vom Scheidungsverbund abgetrenntes Verfahren zum Versorgungsausgleich bleibt grundsätzlich Folgesache. Das gilt sowohl für Verfahren nach dem bis Ende August 2009 geltenden früheren Recht (§
628 ZPO aF), als auch nach dem seit dem 1. September 2009 geltenden neuen Recht (§ 137 Abs. 5 Satz 1 FamFG).
Das trifft hingegen nicht für Übergangsfälle zu, in denen auf das vor dem 1. September 2009 eingeleitete Scheidungsverfahren noch früheres Recht anwendbar war, die vom Scheidungsverbund
abgetrennte Folgesache über den Versorgungsausgleich aber gemäß Art. 111 Abs. 4 FGG-RG als selbständige Familiensache nach neuem Recht fortzuführen ist.
In solchen Übergangsfällen entfällt auch die Erstreckung der bewilligten Prozesskostenhilfe nach § 624 Abs. 2 ZPO aF auf das Verfahren über den Versorgungsausgleich, weil sie nicht mehr als
Folgesache qualifiziert sind. Die früher bewilligte Prozesskostenhilfe nimmt dem Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die selbständige Familiensache deswegen nicht das
Rechtsschutzbedürfnis.
Az XII ZB 261/10, Beschluss vom 16.2.2011
Quelle: http://familienanwaelte-dav.de/newsletter/newsletter-04-11
Die zur Auslegung des § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB entwickelte Rechtsprechung zu den „wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen“ unter Anwendung der so genannten Dreiteilungsmethode löst sich von dem
Konzept des Gesetzgebers zur Berechnung des nachehelichen Unterhalts und ersetzt es durch ein eigenes Modell. Mit diesem Systemwechsel überschreitet sie die Grenzen richterlicher
Rechtsfortbildung und verletzt Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG).
Az 1 BvR 918/10, Urteil vom
25.1.2011, BVerfG-Pressemitteilung
Quelle: http://familienanwaelte-dav.de/newsletter/newsletter-03-11
Die Ehegatten sind zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet. Daraus folgt ihr wechselseitiger Anspruch, sich über die finanziellen Verhältnisse zu informieren, die für die Höhe des
Familienunterhalts maßgeblich sind. Geschuldet wird die Erteilung von Auskunft in einer Weise, wie sie zur Feststellung des Unterhaltsanspruchs erforderlich ist. Die Vorlage von Belegen kann
nicht verlangt werden.
Az XII ZR 124/08, Urteil
vom 2. Juni 2010
Quelle: http://familienanwaelte-dav.de/newsletter/newsletter-12-10
Wenn der Unterhaltspflichtige höhere Einkünfte als sein Ehegatte hat, muss die Leistungsfähigkeit zur Zahlung von Elternunterhalt ermittelt werden. Von dem Familieneinkommen wird der Familienselbstbehalt in Abzug gebracht. Das verbleibende Einkommen wird um die Haushaltsersparnis vermindert. Außerdem sind Familienunterhalt, der individuelle Familienbedarf und Aufwendungen für Versicherungen zu ermitteln und zu berücksichtigen.
Az XII ZR 140/07, Urteil vom 28.7.2010
Quelle: http://familienanwaelte-dav.de/newsletter/newsletter-09-10